Homiletische Monatshefte

 

Dr. habil. Alfred Seiferlein

Letzter Sonntag nach Epiphanias – 4. Februar 2001 Johannes 12,34-36

 

Auslegen

Mit Joh 12,34-36 – dem Schluß der „Hellenenrede (12,20 ff.) - endet im Johannesevangelium das öffentliche Auftreten Jesu. Während die Synoptiker ausführliche Beschreibungen über die Wirksamkeit Jesu in Jerusalem bringen, läßt Johannes Jesus dagegen in einer Rede angesichts seines bevorstehenden Todes einen Rückblick auf seine öffentliche Wirksamkeit geben. Nach dem Einzug in Jerusalem steht für Johannes nun endlich die zentrale Aufgabe des Gottessohnes im Mittelpunkt. Im Gespräch - zunächst mit den - und sofort wieder unvermittelt verschwundenen - Griechen und dann „dem Volk" wird die Verherrlichung und die Erhöhung Jesu thematisiert. Auf die eigentliche Frage des Volks, warum der Menschensohn erhöht werden muß, geht Jesus nicht mehr ein. Aber auch der letzte Appell verhallt offensichtlich ungehört. Joh 12,37ff. zeigt die totale Negativität bei Freund und Feind. Die Jünger bekennen wiederum freimütig, daß sie nicht verstehen, nicht begreifen und erst viel später in der Rückschau das Geschehen deuten können. Wie sollen die Gegner verstehen, wenn es den Freunden Jesu schon unmöglich war! Aber Argumentation und das Bemühen um Einsicht sind für die Gemeinde in dieser Situation gar nicht mehr angesagt. Nur der Glaube selbst bringt jene Gewißheit, die Jesu Person und Wirken verstehen läßt. Das Licht als Symbol für Heil und Segen ist der Menschensohn selbst.

Für die Predigt empfiehlt sich eine Konzentration auf Joh 12,34-36 ohne die vorgeschlagene Erweiterung.

 

Umsetzen

Mit dem letzten Sonntag nach Epiphanias endet der Weihnachtskreis im Kirchenjahr. Während die Adventszeit der Zurüstung und der Vorfreude auf das Christfest dient, ist die Epiphaniaszeit von der Freude über die Erscheinung Gottes auf Erden geprägt. Der ganze Weihnachtsfestkreis ist bestimmt vom Lichterglanz, zunächst nur von einer Kerze auf dem Adventskranz, dann von vielen auf dem Christbaum und schließlich von der Verklärung Jesu (Mt 17,1-9), der Evangeliumslesung für den letzten Sonntag nach Epiphanias. Die Epistel des Sonntags (2. Kor 4.6-10) nimmt ebenfalls die Lichtsymbolik auf: „Licht soll aus der Finsternis hervortreten ...". In manchen Gemeinden wird – liturgisch wohl begründet – erst nach dem letzten Sonntag nach Epiphanias der Weihnachstsschmuck aus den Kirchen genommen.

Im Jahr 2001 wird der letzte Sonntag nach Trinitatis zwei Tage nach dem Lichtmeßtag (2. Februar) gefeiert. In traditionsbewußten und bäuerlich geprägten Gemeinden ist die Erinnerung an diesen Gedenktag der Darstellung Jesu im Tempel („ein Licht, zu erleuchten die Heiden" Lk 2,32) noch lebendig.

 

Literatur

G. Voigt, Homiletische Auslegung der Predigttexte, Reihe V, Die bessere Gerechtigkeit, Göttingen 21984, S. 114-120

J. Ziemer, GPM, Göttingen 1994, S. 98-103

 

 

Lieder

EG 70 (Wie schön leuchtet der Morgenstern), 67 (Herr Christ, der einig Gotts Sohn), 74 (Du Morgenstern, du Licht vom Licht), nach der Predigt: EG 72 (O Jesu Christe, wahres Licht)

 

Lesen

2. Kor 4,6-10; Mt 17,1-9

 

Predigen

„Glaubt an das Licht, solange ihr´s habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet. Das redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen." Gott verbirgt sich vor den Menschen – liebe Gemeinde! Jetzt erst mit dem heutigen letzten Sonntag nach Epiphanias geht die fröhliche, selige, gnadenreiche Weihnachtszeit zu Ende. Das Licht der Welt wird unsichtbar, verbirgt sich vor den Augen der Menschen. Die Anschaulichkeit geht verloren. Krippe, Stall, und Christbaum verschwinden endgültig aus unserem Sichtfeld. Der Glanz der Weihnachstkerzen erlischt. Und dennoch befinden wir uns noch in der dunklen Jahreshälfte, die Nächte sind lang, die Tage kurz. Äußerlich ist noch wenig Licht in Sicht. „Gerne hätte ich in den letzten Jahren ab und zu einen Seelsorger gesprochen" schreibt eine Frau, „als mich die Wechseljahre in depressive Phasen gezogen haben. Die erbetene Hilfe aber blieb aus. Um mich wurde es immer wieder so finster. Mein Glaube, mein Vertrauen sind erloschen."

 

Sehnsucht nach mehr Licht

Mehr Licht (Sterbewort Goethes), danach sehnt sich der Mensch. Am Anfang der Schöpfung sprach Gott: „Es werde Licht" und Paulus schreibt uns heute in seiner Epistel, daß Gott einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben hat. Aber der Mangel an Licht, an Helligkeit, die unser Leben erleuchtet, durchzieht unsere Wege. „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal ...", viele Menschen fürchten das Unglück, fürchten sich vor dunklen Nächten, finsteren Tunneln und vor einer getrübten Seele .

Äußeres Licht ist für uns heute selbstverständlich vorhanden. Oft ist sogar zuviel Licht da, es ist häufig zu grell, es blendet. Bei Helligkeit läßt es sich schlecht schlafen. Das diffuse Licht der Städte nimmt den Sternen ihren Glanz. Licht ermöglicht sehen, erkennen, wahrnehmen und dann deuten. Licht führt Pflanzen, Tieren und uns Menschen die Energie zu, die Wärme und das Wachsen schenkt. Erst mit der Erfindung des Stroms wurde Licht immer und überall verfügbar, herstellbar und ist zu einer billigen Ware geworden. Sobald der Strom ausfällt, fallen wir zurück in Zeiten, in denen das Licht eine kostbare Gabe darstellte. Bleibt der Strom länger weg, über Tage und Wochen, wie nach dem Weihnachtssturm „Lothar" vor einem Jahr in Frankreich, dann beten die Menschen um die erhellende Gabe.

 

 

Licht als ein Symbol für Gott

Glaubt an das Licht, solange ihr´s habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet." Jeder von uns hat seine Vorstellung von Licht, verbindet damit Erinnerungen und Bilder: Ein romantischer Sonnenaufgang, eine festlich gedeckte Tafel mit Kerzenschein oder leuchtende Kinderaugen am hell erleuchteten Weihnachtsbaum. Vielleicht auch der Blick auf den Altar hier in der Kirche bei einem stimmungsvollen Gottesdienst am Hl. Abend. Für den Evangelisten Johannes ist der Begriff Licht ein Symbol für Gott. Gott ist der Herr über Licht und Finsternis. Licht bezeichnet Gott und die Sphäre, d.h. die Umgebung alles Göttlichen. Licht und Wort stehen in einer engen Wechselbeziehung. Das Wort macht den Menschen zu einem Hörenden, das Licht hingegen gewährt die Wahrnehmung, aus der die Erkenntnis kommt. Licht ist die hohe Gabe Gottes, durch die wir Menschen Gott erkennen. An Weihnachten wird der Heiland von Gott auf die Erde geschickt als das Licht der Welt, daß wir Menschen durch dieses Licht Gott den Vater erkennen. Nun läßt Jesus die weihnachtliche Gemeinde zurück. Er verschwindet vor den Augen seiner Jünger, vor den Augen der Gemeinde. Er, das Licht der Welt, läßt aber sein Wort zurück. Nicht sehen und doch glauben. Jesus verbirgt sich vor seinen Freunden und bleibt dennoch mitten unter uns mit seinem Wort.

Das geschieht von Gott her. Ob es von uns gespürt wird? Das Licht Gottes leuchtet immer, aber die Strahlen huschen oft an uns vorbei und wir bemerken sie fast nur unbewußt. Das Licht geht immerzu vom Himmel auf die Erde, selbst wenn es bei uns gerade Nacht ist. Das Licht der Welt leuchtet, aber wir Menschen sind mit so vielen anderen wichtigen Dingen beschäftigt, daß wir es nicht wahrnehmen können. So wie wir im Geräusch des Tages das sanfte Flüstern einer Wasserquelle überhören. Es muß wohl in uns und um uns ganz still werden, wenn wir die Stimme Gottes hören wollen. Es muß dunkel werden, wenn wir das göttliche Licht erkennen, das Licht der Welt empfangen wollen.

 

Viele Lichter und das eine Licht der Welt

Licht besitzt viele Schattierungen. Maler spielen mit Licht und Schatten auf ihren Bildern. Ein Meister der Pinselführung, wem diese Kunst gelingt! Architekten und Baumeister nutzten in alten und neuen Kirchengebäuden den Lichteinfall oft als Verkündigungsmittel. Wie anders wirkt jeder Kirchenraum auf uns in der Abendsonne. Wie anders wirkt er während der Dämmerung in der Osternacht. Wie österlich wirkt der Chorraum, wenn er am Sonntagmorgen erhellt wird. Mit denen, die sich von Gottes Licht anstecken lassen, sät Gott Wärme und Wahrheit, Licht und Liebe in die Kälte, in den Haß dieser Welt. Christen sind Abglanz der Herrlichkeit Gottes, durch uns wird das Licht der Welt vervielfacht und gebrochen. Jeder ist nötig, um anderen einen Teil des Lichts weiterzugeben, das einen selbst zusteht.

Wir sind zu Lichtträgern bestimmt. Im Gottesdienst können wir uns anstecken lassen von dem Licht, das das Kind in der Krippe auf dieser Erde zurückgelassen hat. Wir können aus jedem Gottesdienst das Wort mitnehmen, mit dem uns das Licht der Welt unsere Wege ausleuchten will.

Jeder/jede von uns nimmt aus diesem Gottesdienst dieses Licht mit und strahlt es hinein in die Umgebung, wo immer wir uns heute und in der kommenden Woche bewegen werden. Durch Gottes Geist lebt dieses Licht der Welt in seinem Wort mitten unter uns Menschen auf diesem schönen Globus.

 

Vergängliches und unvergängliches Licht

Einmal wird diese Erde vergehen. Wann dies sein wird, wissen wir nicht. Die Sonne wird verglühen und Gott wird einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen. Wovor der Mensch erschrickt, darauf freut sich der Christ, denn wir werden in einem neuen Leben wandeln. Auch wenn der weihnachtliche Glanz und das Licht vom Christbaum verschwinden, der Trost und die Hoffnung bleiben bei uns lebendig zurück. Der Morgenglanz der Ewigkeit fällt in dieses vergängliche und zerbrechliche Leben. Welch eine hilfreiche und tröstliche Gewißheit, daß Christus bei uns bleibt, auch wenn er verborgen unter uns ist. Wenn die Sonne am Himmel steht, strahlt sie Wärme und Licht aus, ob wir sie sehen oder ob sie durch Wolken verdeckt ist, ob wir hinsehen oder ob wir uns dieser Tatsache gedankenlos verschließen. So ist es mit dem Licht der Welt. Die Christusgegenwart besteht weiter. Die Kinder des Lichts übernehmen diesen Dienst. Christus hat Augen um zu sehen, Ohren um zu hören und Hände um zu heilen. Wir sind die Kinder des Lichts, die Augen, Ohren und Hände des erhöhten Menschensohns. Wir bleiben zurück, nicht traurig und in der Finsternis, sondern voll Vorfreude über das Licht der Welt, dem wir als Kinder des Lichts neu entgegengehen.

Amen.

 

Beten:

Guter Gott

wir danken dir für alle Helligkeit, die uns den Tag erleuchtet, für alles verstehen und deuten, für gute Gedanken und die Musik, die uns die Seele erhellt. Wir danken dir für Licht und Wärme, die uns als deine Geschöpfe unter dem Himmel leben lassen. In deine Hand legen wir unseren Tag und die Menschen, mit denen wir zusammenleben. Wir vertrauen dir alle dunklen Gedanken, die Sorge um den morgigen Tag und die Angst vor dem bitteren Tod an. Wir legen dir alles hin, was unser Gemüt bedrückt und verfinstert und wir lassen unsere Hände offen, weil wir wissen, du schenkst, was wir zum Leben brauchen.

Du führst uns durch dunkle Täler und durch die Schatten der Nacht, aber immer bist du da, Licht der Welt, Schöpfer von Sonne, Mond und Sternen. Laß uns vertrauensvoll zu dir sehen, dem Licht der Welt.